Dietrich Klinge
Neue Skulpturen, Entwurfszeichnungen
01.04.2008 - 03.05.2008
Mit der Kettensäge gibt er ihnen ihre Gesichter, der Bronzeguss versiegelt ihren Blick – Dietrich Klinge schafft Skulpturen voll roher Kraft und fragiler Schönheit. Seine selbstverständliche und unverkrampfte Perfektion im Umgang mit Material und Form machen ihn zu einem Meister seines Faches. Ab dem 01. April 2008 sind neue Skulpturen und – exklusiv in der Galerie Terminus am Promenadeplatz – bisher unveröffentlichte Entwurfszeichnungen des Ausnahmekünstlers zu sehen.
Vielleicht sind die Köpfe der Ausgangspunkt. Meist ohne Hals, starr und unbeweglich, blicken fragmentartige Gesichter den Betrachter mit verzerrten Mündern und in sich gekehrtem Blick an. Zur Bewegung sind sie nicht fähig, wo ihr Hals und Körper sein sollte, ist nur ein Loch. Ein Gefühl des Ausgeliefert-Seins umgibt sie, ebenso wie Klinges Stelen, Büsten und Figuren. Trotz Hals und Kopf werden diese von unbearbeiteten Holzblöcken oder überproportionierten Gliedern in ihrer eigenen Materialität und Form gefangen gehalten. Meist sitzen sie, haben keine Arme oder sind aufgrund ihrer Proportionen unfähig sich ihrer Umwelt zu entziehen und eine eigene Aktivität zu entwickeln. Und doch bleibt der Eindruck einer archaischen Sinnlichkeit und Kraft bestehen, die diese Skulpturen umgibt und den Betrachter in ihren Bann zieht – weit über den Kampf hinaus, den diese Figuren auszufechten scheinen.
Dietrich Klinges Arbeiten sind nicht oberflächlich schön. Die unförmigen Konturen und verwirrenden Proportionen seiner Köpfe und Büsten, seiner Stelen und Großfiguren ebnen dem Betrachter den Weg „unter die Haut“ seiner Arbeiten. Die Kettensäge ist für Klinge als Verlängerung seines Armes ein wichtiger Bestandteil der Formgebung. Es ist die Unbeherrschbarkeit der Maschine, ihre objektive und unkontrollierbare Kraft, die ihm eine Distanz zu seinen Arbeiten aufzwingt. Doch die Holzskulptur, die aus diesem Kampf gegen den Widerstand des Materials entsteht, bleibt nur die erste Ebene des Schaffens. Der Bronzeguss, der aus dieser Vorlage entsteht, ist das eigentliche Werk. Erst die Bronze gibt den Skulpturen ihre wahre Haut. Kalt, distanziert und unvergänglich fängt sie die Gesichter und Körper in einer Starre ein, die deren Ausdruck der Stille und In-Sich-Gekehrtheit unterstreicht. Doch Klinges Arbeiten sind selten friedlich in ihrer umfassenden Ruhe. Für den Künstler ist das menschliche Gesicht, das ganze menschliche Wesen nichts Gegebenes, sondern im Gegensatz dazu etwas Aufgegebenes, das der Natur entrissen wurde. Dem Akt des Herausschneidens als Sinnbild einer brutalen, zerstörerischen Realität steht der ruhige Blick eines unverletzlichen Selbst gegenüber, ein Wechselspiel zwischen Distanz und Vertrautheit, zwischen Rückzug und Intimität.